Lichtinstallation - Konzept: Rainer Walter Gottemeier
Petzow / Haussee
Auswahl von Lichtkunstprojekten auf europäischen Gewässern


Lichtachsen und PotsdamerStiefel (Buntstift und Bleistift auf Papier, 2017) Lichtobjekte - Konstellation



Lichtachsen auf dem Stiefelspann der GartenLandschaft PotsdamerStiefel

„Welcher Art auch der Glanz der sichtbaren Sonne ist, er ist nur eine Erscheinungsform der letzten Schönheit,
… die in das Weltall die Bilder ihrer Schönheit ausgießt wie in Spiegel mit unzähligen Oberflächen“.
<Guilleaume de Auvergne (13. Jh.) aus der Schrift „de universo“>

Anlässlich der 700jährigen Jubiläen der Stadt Werder/Havel sowie der Gemeinde Schwielowsee mit ihren Ortsteilen – Caputh + Ferch –
plant das KulturForum Schwielowsee e.V. als Kooperationspartner eine schwimmende Lichtinstallation im Wasserspiegel des Haussees von Petzow,
der Parklandschaft des Denkmalensembles von Lenné und Schinkel. Das Ereignis lässt die Kulturlandschaft in einem neuen Licht erscheinen.

Der „PotsdamerStiefel“ ist eine Entdeckung, die sich im Zuge der Projektarbeit herauskristallisiert hat mit Blick auf die Kartografie der Potsdamer Kulturlandschaft.
Die Topografie dieser Region ist durch die Gestaltungskräfte eiszeitlicher Gletscher geprägt worden. Der PotsdamerStiefel bezeichnet die Lage und Aneinanderreihung
der Seenlandschaft: Großer und kleiner Zernsee, Wublitz, Havel (seenartige Erweiterung mit der Insel Werder), Schwielowsee, Glindowsee, Großer Plessower See und
der Petzower Haussee als Glanzpunkt auf dem Stiefelspann.

Das Phänomen dieses naturräumlichen Stiefels impliziert die mediterrane Sehnsuchtslandschaft, verkörpert den Leitgedanken der Lichtinstallation.
Vierundzwanzig pulsierende Lichtstelen, die im Wind auf bewegtem Wasser schwanken und Bilder in den Seespiegel zeichnen, sind als elliptische Großform
im See verankert. Im übertragenen Sinn markieren sie die Kerzen auf der Geburtstagstorte.

Die Ellipse ist die schöpferische Figur für den Begriff des Weltalls. Denn die beiden Brennpunkte, die doppelten Pole, sind charakteristisch für das Weltall:
Sie beherrschen die Bewegungen im Kosmos und sind das Symbol des Menschen mit seiner polaren Struktur von Geist und Seele.

„Überall, wo Leben sei, zeige sich die Zweiheit der Pole: nicht nur in der Elektrizität, sondern in Tag und Nacht, in Sommer und Winter, in Mann und Weib“
<Aby Warburg - Gundolf, Friedrich: George, Berlin, 1930>

Die lichthaltige elliptische Großform dient hier als Symbol und Reminiszenz an die sog. „Gärtner-Ellipse“.
Diese kam zur Gestaltung von Landschaftsgärten quasi als eine Kurzformel der im Garten eingesetzten Geometrie im 17. und 18. Jahrhundert zur Geltung.

Die Geometrie der Ellipse ist das adäquate Bild des Wachstums, des Reifungsprozesses, das Ebenbild der Entfaltung und der Zeit, die das Gleich-Zeitige zeitigt.
Die auratisch blau leuchtende Ellipse wird durch eine Vielzahl von Signallichtbojen und weißen Kugelfendern umschlossen und durchdrungen.
Sie visualisieren ein über den See ausgebreitetes Lichtpunktnetz, das in der Dämmerung nach und nach zu leuchten beginnt.

Stille Bildräume verwandeln sich in rhythmisch bewegte Klangbilder. Tanzende Lichtblitze „zeichnen“ visuell/temporäre Partituren auf den dunklen Seespiegel.
In ihrer räumlichen Anordnung verkörpern die schwimmenden Objekte symbolische Sternbilder. Der PotsdamerStiefel ist als kartografischer Raum die Region,
aus dem sich die Sternenwelt im Seespiegel speist. Die Merkmale dieser Landschaft: Orte, Architekturen, Museen, Denkmale, naturräumliche Besonderheiten,
Straßenkreuzungen und Infrastrukturen werden auf die Seefläche punktuell übertragen.

Der Lebensraum ist jetzt hier der bewohnte Kosmos dieser Kulturlandschaft, verbildlicht als ein bewegter irdischer Himmel.

Flüsse, Ströme, Teiche und Seen sind die Augen der Landschaft.
In der romantischen Sicht- und Denkweise war und ist diese Metapher bis heute ein weit verbreitetes Sinnbild.
Der am Seeufer spazierende Betrachter umwandert ein visuelles Konzert lebendiger Räume, die sich beständig neu herauskristallisieren.

Es geht um die Wahrnehmung simultaner Ereignisqualitäten, die sich den Sinnen in der Gleichzeitigkeit offenbaren.

Es geht um eine wechselseitige Bedingtheit des Sehenden und des Sichtbaren.

Das Werk korrespondiert unmittelbar mit dem Licht der Sonne. Bei völliger Dunkelheit entzündet sich ein
– die Sinne und das Denken umfassendes – Erlebnis von großer synästhetischer Schönheit.

Die Landschaft wird zum „Denkraum“ und das „Gehen“ zur ursprünglichsten Form des „Reisens“
im Spannungsfeld einer Synthese von Kunst, Technologie und Natur.

Rainer Walter Gottemeier, am 9.1.2017

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